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Mit 17 verließ ich die Schule.
„Wie stellt man es nur an Schauspielerin zu werden?“
Auf der Suche nach der Antwort zog ich nach Berlin. 10.144 km weit weg, um genau zu sein. Berlin war laut dreckig und anonym. Ich liebte und hasste diese Stadt.
Und da war ich nun: ein kleiner Punkt mit einem riesen Traum und keiner Ahnung.
Ich ging also erstmal ins Theater. Schaute mir die Virtuosen an. Konnte vor Staunen nicht klar denken .
Ich fand alles gut, nein grossartig und… beneidenswert!
Ich wollte Sie sein, die Leidende dort oben, mit der ich heimlich im Dunklen mitweinte.
Ich wollte all diese Emotionen sein, nein ich musste sie sein. Unbedingt.
Irgendwer sagte irgendwann irgendwas von Schauspielschule. Da müsse man hin.
Ich hatte eine neue Freundin in Berlin gefunden, anfangs war ich eigentlich eher ihre Assistentin. Könnte man so sagen.
Ich hielt ihre Schreibtischlampe, damit sie die runzeligen Äpfel in einem schwarzen Karton fotografierte konnte. Kleine Plastilina Menschen kletterten auf den alten Äpfeln herum. Es war ihre Bewerbung, um Bühnenbildnerin zu werden. Sie kriegte die Stelle.
Als Dank nähte sie mir ein Kleid. Ich übte Monologe
Und… bekam meinen ersten Job am Theater! Nein nicht als Schauspielerin.
Als Hospitantin. Defitintion des Wortes: Hospitant ist jemand der Alles tut und Abends vor leerem Kühlschrank sitzt.
Naja gut, mein Aufgabe bestand darin das fluchende Spanisch eines Gast-Regisseurs zu übersetzen. Und zwar der Dame des Veterinär Amts.
Groß artikulierend erklärte er mir, er müsse die kleinen Küken aber vor den Käfig mit der Katze setzen, das sei das Essenzielle an diesem Stück.
Die darauffolgenden Summe an Schimpfwörtern übersetzte ich nicht.
Nein! Das sei ausgeschlossen! Die Küken würden nach 10 min einen viel zu hohen Stresspegel entwickeln und das sei Tierquälerei und somit in Deutschland verboten.
Ich übersetze vorsichtig.
Er schrie, er scheisse auf Deutschland!
Tja, wär ich doch nur die Katze geworden. Leider gab es kein Interesse an meinem Angebot, ich könnte und würde auch gerne die Katze ersetzen. Denn ich kann irrsinnig lang gut still sitzen. Aber das sollte ich erst an einem späteren Punkt meiner Karriere beweisen müssen. Dazu also später.
Somit machte die Bühnen Katze also die steilere Karriere, während ich an der Schaubühne dafür da war alles Andere zu machen.
Als der etwas dickliche Star des Theater mich an seinen Tisch holte, mir seine Nummer gab und sagte:
“Hey, ich bring dich an die Busch!”, ich hatte bereits erfahren dass Busch ein Magisches Wort war, glühte in mir das Bild auf der himmlischsten und unerreichbarsten Schauspielschule zu sein. „Die Busch”, das war die Koryphäe.
Meine Freundin besorgte mir also zu dem Anlass ein ganz besonderes Kostüm. Ein wunderbares Kleid aus dem Fundus des Berliner Ensembles.
Da Sie dort gerade eine Kostüm Assistenz machte. Ein Ähnliches Wort wie Hospitanz, mit meist genauso wenig Geld nur von längerer Dauer.
Sie fotografierte mich in dem Kleid vorm BE und ich fühlte mich RICHTIG.
Ich hatte zwei Monologe rausgesucht und es waren knapp zwei Wochen vor dem Vorsprechen, da rief ich also meinen grosszügigen Gönner an.
Es antwortete seine Mobilbox. „Hallo ich bin im Urlaub und die nächsten Wochen nicht erreichbar Hihi. Ciao!“
Ich war fassungslos. Am Tag der Tage stand ich also vor der Busch, allein. Naja wobei, da waren gefühlt tausend Andere um mich. Alle mit dem gleichen Ziel.
Ich machte also meine Monologe, ich hatte nur 3 min. Die zwei Professoren glotzten mich still an.
Ein komisches Gefühl machte sich in mir breit. Ich fühlte mich ausgeliefert und unter die Lupe genommen, gepaart jedoch mit kalter Distanz und fühlbarem Desinteresse.
Der Professor entließ mich am Ende des Tages mit folgendem Satz: „Also ich konnte Ihnen überhaupt nicht zuhören, bei dem Ausschnitt den sie hatten!“
Seine Kollegin, eine Frau, sagte gar nichts. So und das nennt man Profis.
Das Kleid gab ich meiner Freundin mit bitterem Geschmack im Mund zurück.
Sie sah mich stumm an, doch ihr Blick hatte etwas mitleidiges und sagte “Naja, willkommen in der Theaterwelt.”